Academia Masonica
​
Franz Hartmann
1895 begann Kellner, seine Idee der Gründung einer Academia Masonica mit seinem Kollegen Theodor Reuss (Merlin oder Peregrinus, 28. Juni 1855 – 28 Okt. 1923) zu diskutieren. Im Verlauf dieser Diskussionen entschied Kellner, dass die Academia Masonica den Titel „Orientalischer Templer-Orden“ tragen sollte. Der okkulte innere Kreis dieses Ordens (des eigentlichen O.T.O.) sollte in seinem Aufbau an die höchsten Grade der freimaurerischen Memphis und Misraim Riten angelehnt werden und die esoterischen rosenkreuzerischen Lehren der Hermetic Brotherhood of Light (Hermetischen Bruderschaft des Lichts), sowie Kellners „Schlüssel“ zur freimaurerischen Symbolik vermitteln. Sowohl Männer als auch Frauen sollten zu allen Stufen dieses Ordens Zugang erhalten, wobei jedoch der Besitz der verschiedenen Grade und Hochgrade der Freimaurerei eine Voraussetzung für die Aufnahme in den inneren Kreis des O.T.O. darstellen sollte. Unglücklicherweise konnten Frauen aufgrund der Regeln der etablierten Großlogen, die der regulären Freimaurerei vorstanden, nicht zu Freimaurern gemacht werden, aufgrund welcher Tatsache sie von vornherein von der Mitgliedschaft im Orientalischen Templer-Orden ausgeschlossen gewesen wären. Dies mag einer der Gründe dafür gewesen sein, weshalb Kellner und seine Weggefährten beschlossen, Patente für viele Riten oder Systeme der Freimaurerei zu erlangen, um auf deren Grundlage das System im Hinblick auf die Aufnahme von Frauen reformieren zu können.
Die Diskussionen zwischen Reuss und Kellner führten zu dieser Zeit zu keinem nennenswerten Ergebnis, da Reuss überwiegend damit beschäftigt war, zusammen mit seinem Dresdner Kollegen Leopold Engel (1858-1931) den Illuminaten-Orden wiederzubeleben. Kellner stand dem wiederbelebten Illuminaten-Orden wie auch Engel selbst ablehnend gegenüber. Von Reuss wissen wir, dass Kellner nach seiner endgültigen Trennung von Engel im Juni 1902 erneut mit ihm in Verbindung trat, und die beiden beschlossen, mit der Stiftung des Orientalischen Templer-Ordens fortzufahren, wobei sie sich zunächst darum bemühten, die Autorisation zur Bearbeitung verschiedener Riten der Hochgrad-Freimaurerei zu erhalten.